Der dreimalige deutscher Meister Tomas „Shorty” Seyler bildet als Experte zusammen mit Elmar Paulke das SPORT1-Kommentatoren-Duo der Darts-Übertragungen. Wir von Darts180.de durften kurz vor dem Start der Premier League Darts 2015 noch ein Interview mit Ihm führen.
Tomas Seyler, Spitzname „Shorty“, begann im Alter von neun Jahren mit dem Dartssport und wurde 2001, 2003 und 2004 Deutscher Meister. Viermal nahm der gebürtige Bremerhavener bislang an der Darts-WM teil und schaffte 2005 mit dem Einzug in die zweite Runde sein bestes Ergebnis im Londoner Alexandra Palace bei den World Championships. Darüber hinaus gewann Seyler in seiner Karriere unter anderem bereits das German Masters sowie gemeinsam mit Andree Welge die Dutch Open.
Interview mit Tomas Seyler
Wahnsinn war das eine Weltmeisterschaft! Wie hast Du es miterlebt?
Tomas Seyler: „Ich war ja auch schon als Spieler dabei. Der Erfahrungswert ist natürlich einfach überwältigend. Man empfindet es als große Ehre, dort als Spieler dabei sein zu dürfen. Aber auch hinter dem Mikrofon ist es irre aufregend. Die WM nimmt mich immer wieder mit. Egal, wer da eigentlich spielt. Ich habe mittlerweile keine Lieblingsspieler mehr, weil alle auf ihre Art und Weise Spiele abliefern, bei denen mir die Spucke wegbleibt. Als Kommentator versucht man neutral zu sein und genießt diese Performance. Dass die Jungs es vor dieser Kulisse schaffen, ihre beste Leistung abzurufen, ist toll. Da habe ich einen riesen Respekt davor und bewerte als Kommentator die klasse Arbeit, die da geleistet wird.“
Spätestens seit der vergangenen WM ist auch hier in Deutschland der Darts-Sport populärer denn je (was die Zahlen von SPORT1 ja belegen). Wie ist Deine Meinung dazu?
Tomas Seyler: „Wir müssen jetzt den Schwung mitnehmen, der herrscht. Wir haben natürlich mit der WM auch einen super Platz gefunden, wo alle anderen Sportarten pausieren. Da gibt es in Deutschland nicht viel zu übertragen bis auf Classics und Wiederholungen. Man sitzt zu Hause auf dem Sofa und da steht ein Typ, der wie ein Papagei angemalt ist, ein Tattoo auf dem Arm hat und dann aus 2,37 Metern den Darts auf ein Feld wirft, das so groß ist wie eine Makkaroni. Das ist doch irre!
Ich glaube die Entwicklung ist trotzdem noch weiter ausbaufähig. Wir sind am Anfang, weil in Deutschland das Potenzial noch nicht ganz entdeckt worden ist − auch was das Werbepotenzial betrifft. Ein Einzelsportler, der in einem Finale auch mal bis zu dreieinhalb Stunden im TV-Bild ist. Das Logo ist bei jedem Wurf und bei jedem Jubel zu sehen. Im Vergleich muss man sich anschauen, was ein Werbeclip kostet, der nur ein paar Sekunden geht.
Und dann gilt es eben neue Strukturen zu schaffen, weil wir in Deutschland immer noch ein bisschen Entwicklungsland sind, was Trainingsmöglichkeiten angeht. Es gilt, eigene Talente zu produzieren und zu fördern, um Darts dahin zu bringen, wo es als ernstzunehmende Sportart hingehört.“
Gary Anderson wurde Weltmeister. Wird er auch die Premier League gewinnen?
Tomas Seyler: „Ich schätze seine Chancen sehr gut ein. Als neuer Weltmeister hat er einen unglaublich stressigen Monat mit Terminen ohne Ende hinter sich. Er hat in den 26 Tagen nach dem WM-Titel ganze sechs Stunden trainiert. Und dann fährt er zu den Masters und schafft es bis ins Halbfinale. Das ist schon aller Ehren wert. Am Ende hat einfach die Praxis gefehlt, aber jetzt hat er wieder ein bisschen mehr Zeit und spielt Turniere, um sein altes Level zu erreichen. In meinen Augen ist er ein absoluter Top-Mann. Ich denke, dass er dieses Jahr ähnlich erfolgreich wie das letzte gestalten wird.“
Viele Fans diskutieren derzeit über Phil Taylor, meinen „seine Zeit“ sei vorbei, „er sei zu alt“. Ich persönlich sehe das nicht so – Du auch?
Tomas Seyler: „Ich denke, das Alter muss man außen vor lassen. Darts ist ein Sport ohne Ablaufdatum. Du kannst auch mit 70 noch einen Neun-Darter werfen. Das hat der Vater von Wayne Mardle bewiesen. Und ganz ehrlich: Wenn Phil Taylor ein schlechtes Spiel spielt, ist es immer noch das Beste von vielen anderen. Phil Taylor muss sich natürlich an Phil Taylor messen lassen. Aber wenn du den 16. WM-Titel im Auge hast und im Finale stehst, kannst Du nicht viel näher dran kommen. Ein Finale kann man mal verlieren. Davon geht die Welt noch nicht unter. Für mich ist Taylor immer brandgefährlich und kann jeden Titel mit einstreichen.
So lange er spielt, muss man ihn immer auf der Liste haben. Mittlerweile ist er eben nicht mehr unschlagbar. Das, was die Jungs heute machen, hat Taylor die letzten 20 Jahre gemacht und es gab keinen, der das so konnte wie er. Jetzt haben wir eine neue Generation Darts-Spieler, die mit den Bildern von Taylor groß werden. Wir sind dagegen mit den Bildern von Eric Bristow und Jocky Wilson groß geworden. Da lag der Punkteschnitt noch bei 85, 90. Taylor hat den Schnitt auf 100, 110 hochgeschraubt. Die neuen „Young Guns“ wie ein Michael van Gerwen oder ein Benito van de Pas können dieses Level mittlerweile auch spielen.“
Du bist als Co-Kommentator bei den Übertragungen nicht mehr weg zu denken. Wie ist das so, neben Elmar Paulke zu kommentieren?
Tomas Seyler: „Wenn Elmar und ich aufeinanderprallen, sind wir eigentlich immer gut gelaunt. Jeder lässt dem anderen seine Freiheiten. Elmar ist der Archivar. Ich finde es super, dass er genau weiß, wer wann gegen wen gespielt hat. Es ist auch brillant, wie viel Leidenschaft bei ihm dahinter steckt. Das bewundere ich und versuche, ihm mit meinen Möglichkeiten nachzueifern.
Ich bin manchmal der lustige Wirrkopf, der aber trotzdem weiß, was er sagt, und versucht, den Sport so zu nehmen wie er ist: Als einen Präzisionssport mit ‚Halli Galli Faktor‘. Wir beide sind einfach eine gute Kombination. Ich habe mir einiges von ihm abgeschaut. Auch beispielsweise wie man mit Kritik umgeht. Elmar ist ein ganz großer Faktor, warum ich das überhaupt mache. Wir können über alles reden und zusammen kreatives Chaos veranstalten. Wir tauschen uns regelmäßig aus und versuchen mit unseren Möglichkeiten genauso viel Liebe und Hingabe in die Trailer und Übertragungen reinzulegen wie es die Engländer tun. Es ist klasse, was die da machen, aber wir versuchen es in unserem eigenen Stil.
Wir berichten vom Darts ja auch über verschiedene Medien: Nicht nur über das Fernsehen, sondern auch im Radio über SPORT1.fm und online über SPORT1.de. Mit kleinen Clips, Trailern und jeder Menge verrückter Geschichten wie zum Beispiel unseren ‚Blink-Pullis‘. Wir nehmen uns dabei auch nicht zu ernst. Wir haben hier natürlich eine riesige Sportart, keine Frage, aber es ist eben auch eine Party-Sportart. Es ist nicht alles bierernst und es werden eben keine Laktat-Tests gefordert. Du bist der Mann, egal ob du angemalt bist oder ein Papagei-Hemd trägst. Solange du dein Spiel spielt, wirst Du als Charakter bejubelt und kannst ein ganz Großer werden, ohne ein Leben im Zölibat und in der Diät verbringen zu müssen.“
Dein schönster Darts-Moment war…?
Tomas Seyler: „Das ist nach so vielen Jahren nicht einfach zu beantworten. Da gibt es ein paar Momente. Aus meiner Jugendzeit fällt mir ein, dass ich bevor ich 18 Jahre alt geworden bin, die letzte Chance ergriffen habe, German Masters-Sieger zu werden. Dann ging es mit meiner Karriere stetig bergauf. Ich fand es auch großartig, dass ich Nationalspieler geworden bin und für Deutschland spielen durfte. Und dann habe ich mit 25 Jahren beim DDV mein erstes Turnier bei den Herren gewonnen. Die nächsten Steps waren dann, dass ich als einziger Deutscher zur Bavaria Worlds Darts Trophy und zur neu gegründeten International Darts League eingeladen wurde.
Und dann kam ich zur WM der PDC, weil ich damals fünf Jahre lang die deutsche Darts-Rangliste angeführt habe. Bei meiner ersten WM-Teilnahme habe ich die erste Runde gegen Jamie Harvey gewonnen und dann gegen meinen späteren Spezie Roland Scholten in der zweiten Runde verloren. Zu der Zeit war Scholten die Nummer vier der Welt und ich verliere gegen ihn in Sets 2:4, das fand ich achtbar. Jetzt bin ich mal gespannt, wie dieses Jahr wird. Vielleicht kann ich Ende des Jahres sagen, dass das mein neues Highlight war.“
Was war für Dich das beste Match, das Du jemals kommentieren durftest?
Tomas Seyler: „Ein spezielles Match gibt es für mich nicht. Ich finde, viele Situationen haben einfach ihre Berechtigung. Ich erinnere mich zum Beispiel an die 17 perfekten Darts von „Mighty Mike“ hintereinander im WM-Halbfinale 2013 gegen James Wade. Das habe ich noch nie zuvor in meinem Leben gesehen. Das war auf jeden Fall ein Highlight, das mich weggehauen hat.“
Wir bedanken uns recht herzlich für das Interview! GAME ON!
Seit 2012 kommentiert Seyler als Experte an der Seite von Kult-Kommentator Elmar Paulke die Darts-Übertragungen auf SPORT1. Das Highlight war sicherlich das WM-Finale 2015, als die packende Partie zwischen Gary Anderson und Phil Taylor am 4. Januar 2015 auf SPORT1 in der Spitze bis zu 1,86 Millionen Zuschauer verfolgten.
Bildquelle: SPORT1